Himmelfahrt wird gepaddelt — das ist doch klar

Nachdem sich aus unerklärlichen Gründen (keiner war’s) für das Ötztal entschieden wurde, rückt der Tag der Abreise immer näher. Der Gedanke an Wuchtwasser, für mich ein neues Gebiet, lässt mich die Tage vor der Reise mit quälenden Gedanken verbringen. Da kommt natürlich die Freude auf das neue Boot genau recht. Der „Burn“ wird mir da schon ein sicherer Begleiter sein.

Logistisch sind wir mit vier Autos und elf Personen an verschiedenen Tagen los Richtung Österreich. Nachdem wir erwartungsvoll die ersten Frühlingstage genießen konnten, sagt der Wetterbericht für unseren Paddelurlaub die Rückkehr in den Winter voraus. Schnee und Regen bei einstelligen Temperaturen. Da will der eine oder andere schon lieber daheim bleiben. Staufrei und mit guter Fahrzeit kommen wir im Sautener „Edelweiß“ an. Ralf hatte in der Auswahl der Unterkunft einen Glückstreffer. Für die Befriedigung unserer lebensnotwendigen Bedürfnisse wird bestens gesorgt (Rosi sei Dank).

Christian und Thomas sind schon einen Tag früher angekommen, und hatten sich vorher im Augsburger Eiskanal eingepaddelt. Die Kölner Paddelfreunde trafen in der Nacht ein. Volker (auch mit neuem „Burn“ unterwegs) und Christian sollten einen Tag später zu uns stoßen.

Bei einem ausgiebigen Frühstück wurde der erste Paddeltag besprochen. Ach ja, das Wetter! Wie das nun meist so ist, war die Vorhersage nicht richtig. Glück gehabt!

Fürs Einpaddeln erst einmal die Imster Schlucht. Christian und Thomas ziehen lange Gesichter, die zwei sind ja schon warmgepaddelt und heiß auf mehr, kommen aber dennoch mit. Ralf erzählt vom Spaßfaktor der Imster Schlucht mit seinen Wellen und der Memminger Walze, die in meiner Fantasie zu einer meterhohen, sich über den ganzen Fluss hinweg dominierenden Paddler-fressenden Mörderwalze entwickelt. Ja, Spaß macht die breite Imster, ich frage mich hinterher warum sie Schlucht heißt. Die Wellen und Schwälle machen mich mit wuchtigerem Wasser vertraut, obwohl der Wasserstand sich nur zwischen niedrig und mittel bewegt. Dann kommt die Memminger Walze. Mein Puls steigt. Erstmal vorweg ins Kehrwasser, tief durchatmen und los. Die Anfahrt ist gut, stabilisieren und gerade bleiben im wellenreichen Schwall, wo ist sie denn nur die sagenumwobene Mörderwalze? Da taucht sie innerhalb einer Sekunde vor mir auf. Ich gleite in ihrem linken Ausläufer vorbei, danach ins rechte Kehrwasser. He, die war ja fünfmal kleiner als in meiner Vorstellung. Die anderen außer Harald und ich entschließen sich die Walze noch einmal zu nehmen. Ich werde lieber die Szenen filmisch festhalten. Soweit kommen alle gut durch, auch rollender Weise. Am Ausstieg sind wir uns alle einig. Das hat Spaß gemacht und wir wollen mehr. Christian, Thomas, Michael und Swen können es nicht abwarten, und paddeln anschließend noch die Sanna. Da wir natürlich interessiert sind, was die Sanna zu bieten hat, begleiten wir die unermüdlichen Vier, und positionieren uns mit Kameras am Pianser Schwall, der markantesten Schlüsselstelle der Sanna.

Nach einem gemeinsamen Abendessen in Oetz schauen wir uns die Fotos und Filme des Tages an.

Der zweite Tag beginnt mit der Sanna. Inzwischen sind auch Edda, Chris und Volker eingetroffen, und werden in unseren Plan eingebunden. Der Pianser Schwall bereitet mir Kopfzerbrechen, ist schon ganz schön schnell und knackig, neu für mich. Da ich mich in meinem neuen Boot überaus sicher fühle, und die anderen relativ bedenkenlos an die Sanna gehen werfe ich meine negativen Gedanken über Bord, und folge der Gruppendynamik. Da wir nun zu elft sind, teilen wir uns in drei Gruppen auf.

Der Fluss lässt sich gut fahren und bis zum Pianser Schwall bin ich guter Dinge. Dann taucht das letzte Kehrwasser vor dem Schwall auf, und ich bekomme ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ich lasse das Gefühl im Kehrwasser liegen und starte konzentriert in den Schwall. Mit gutem Tempo steuere ich mein Boot durch die Wellen und Walzen. Das Wasser spritzt mir ins Gesicht und nimmt mir kurzzeitig die Sicht, weiter geht’s, die Linie ist gut, ich hab’s geschafft! Mit einem breiten Grinsen fahre ich ins Kehrwasser. Wie ich später erfahre ist Edda im Pianser Schwall gekentert und ausgestiegen, aber dennoch guter Dinge und zu weiteren Schandtaten bereit.

Die folgen dann auch gleich. Nach der kurzen Sanna wollen wir auch noch die Rosanna bezwingen. Nach einer Pause geht es wieder den Berg hinauf. Das Wetter wird schlechter, es fängt an zu regen und es wird immer kälter.

Die Einsatzstelle gecheckt, geht es in gleicher Gruppenaufteilung weiter. Die Rosanna entpuppt sich als regelrechter Kracher. Auf Grund des Gefälles recht flott, und weil der Wasserstand höher sein könnte gibt es viele, nur leicht überspülte Steine, die uns einiges abfordern. In einer nie zu enden scheinenden Passage kommen Volker und ich uns in die Quere. Als ich mich nach ihm umschaue, sehe ich sein Boot mit der Luke nach unten treiben. Ich steuere eines der wenigen Kehrwässer an und erblicke Volker samt Paddel am Ufer. Nun müssen wir seinen neuen Burn einfangen. Ralf und Margit haben die Verfolgung aufgenommen, doch bei diesem steinigen Gefällstück ist es nicht einfach. Das Boot verklemmt sich schließlich vor einem Stein und Margit setzt sich direkt dahinter ins Kehrwasser. Ich lande kurz oberhalb des Bootes an und mache die Wurfleine klar. Volker trifft, bis auf eine kleine Macke am Schienbein unverletzt, zu Fuß ein. Margit wirft mir Ihren Wurfsack zu, mit dem ich Volker sichere, der seinen neuen Burn wiederhaben möchte. Volker steigt ins Wasser und befestigt die Leine am Boot. Ich, mit zwei Leinen in der Hand, komme schon leicht durcheinander, aber nachdem ich das Boot ans Ufer gezogen habe, ist nun auch Volker wieder sicher an Land.

Weiter geht’s mit dem wilden Ritt auf der Rosanna. An der Aussatzstelle wird klar, dass nicht nur unsere Gruppe hart am Limit gefahren ist.

Am dritten Tag teilen wir uns auf. Die unerschrockenen Fünf (Christian I+II, Volker, Swen und Thomas) wollen auf die Obere Ötz. Edda, Margit, Harald, Michael und ich werden uns noch einmal die Imster Schlucht vornehmen. Diesmal nehmen wir alle die Memminger Walze. Sie entpuppt sich doch nicht als Paddler- fressende Mörderwalze, hält mich zwar kurz fest und spuckt mich katapultartig wieder aus, aber ich kann ja rollen. Ralf I beschließt im Alleingang die Untiefen der Aqua Dome Therme zu ergründen. Harald und die Unerschrockenen Fünf werden ihm folgen.

Der vierte Tag wird wiederum der Sanna gewidmet. Ich beschließe einen Tag Auszeit zu nehmen und werde mit dem 300er Objektiv am Pianser Schwall auf der Lauer liegen, um im Dauerbeschuss die Gesichter für die Ewigkeit in Pixel zu bannen. He, wo bleibt denn die Edda? Alle außer Edda sind den Pianser Schwall gefahren. Durch das Objektiv sehe ich Ralf, weit hinten im Kehrwasser sitzend, wild gestikulieren. Okay, verstehe, die ist wohl vorher raus. Ich gehe zum Auto, fahre los und suche Edda. Nachdem ich bis zur Einsatzstelle gefahren bin und sie nicht gefunden habe, fahre ich zurück. Da ihr Boot an der Stelle, wo ich gerade zum fotografieren war, und dort die winkende Edda. Gemeinsam fahren wir zur Aussatzstelle um die anderen einzusammeln.

Es wird immer kälter, der Schnee kommt immer weiter den Berg hinab.

Gegen Abend machen Ralf, Margit, Christian und ich einen Ausflug an die Wellerbrücke und zu den Achstürzen. Wir bewundern die Natur und die Wassermassen der wilden Ötz.

Der fünfte Tag steht uns bevor. Für die Kölner, Christian D. und Thomas wird er die Abreise bedeuten. Für Ralf, Margit, Volker, Christian E. und mich bleibt noch ein Tag für ein alpines Paddelerlebnis.

Da es immer kälter wird, sinkt der Wasserstand der vom Gletscher gespeisten Flüsse.

Daher entschließen wir uns nach Garmisch an die Loisach zu fahren. Bei einer Stunde Fahrtzeit ist das kein Thema. Als wir an der Loisach eintreffen zeigt das Thermometer 4 Grad Kälte an. Es kostet uns schon einiges an Überwindung, uns aus dem warmen Auto heraus auszuziehen. Nachdem wir unseren Neopren angezogen und uns aufgewärmt haben, geht es los. Stefan und Flori, die wir auf dem Parkplatz kennen gelernt haben, fahren vor. Die kennen den Fluss in- und auswendig. Wir fahren die Loisach mit stetem Vergnügen, ein Fluss nach unserem Geschmack. An der Aussatzstelle angekommen, entscheiden wir uns, außer Ralf, für einen zweiten Run. Das war ein richtig schöner Abschluss für unseren Paddelurlaub über Himmelfahrt.

Als Fazit kann ich sagen, dass der Ausflug eine gelungene Aktion war. Wir freuen uns auf das nächste Abenteuer.

R. Kleinert